Nachdem ich die Beta ausführlich gespielt habe, möchte ich mal mein feedback abgeben.
Ich fasse hier einmal einfach meine Eindrücke und Anregungen zusammen, auch, wenn vieles schon anderswo genannt, oder in videos angedeutet wurde. Ich möchte gerne dazu beitragen, das am Ende ein klasse Spiel entsteht, da das Potential von KCD einzigartig ist.
1.Atmosphäre und Emotionen:
Die wichtigsten Elemente des Spieles, sind in meinen Augen, die Atmosphäre und die Emotionen, Rund um die tragische Geschichte des Protagonisten Henry, welche einem, das Leben im mittelalterlichen Böhmen um 1403, im beginnenden Hussitenkrieg, spielbar, vermitteln sollen. Das Potential der Atmosphäre wird in der Beta bereits angedeutet, aber bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Das könnte schlimmstenfalls auch zum Verhängnis für das Spiel werden, denn nichts ist schlimmer als verschenktes Potential (siehe Gothic 3).
Da das Spiel eben kein Actionrollenspiel ist, bei dem es an jeder Ecke etwas zu kämpfen gibt, sollten gerade die Atmosphäre und die Emotionen, die, das Spiel tragenden Elemente darstellen.
Dem Spieler sollte deshalb, innerhalb der Spielwelt, viel stärker, die allgemeine, unsichere, politische Situation verdeutlicht werden z.B. durch Kommentare von NPCs über Überfälle und Banditen im Wald, sowie eine spürbare, allgemeine Angst und Verunsicherung. Hexer Geralt hat es vorgemacht, z.B. wenn sich beim Hexer NPCs unterhalten, das sich niemand mehr in den Wald traut, oder Mütter ihren Kindern verbieten in den Wald zu gehen. Der Spieler sollte vermittelt bekommen, dass es außerhalb der Ortschaften und Abseits der Wege, sehr gefährlich ist. Es darf kein Wandersimulator werden. Überall lauern Gefahren, Kumanen, Banditen, wilde Tiere usw. und Henry ist eben kein Superheld wie Hexer Geralt. Die glaubhafte Vermittlung dieser Stimmung, zwischen Realitätsanspruch und Spielbarkeit, ist das Kunststück, das warhorse-studios vollbringen muss.
Der soundtrack spielt dabei eine zentrale Rolle. Die Beta zeigt auch hier gute Ansätze, aber leider nur sehr selten, z.B. wird beim Betreten des Versteckes von „Stincker“ eine atmosphärisch schöne Stimmung und Klangkulisse erzeugt, die die, für Henry, gefährliche und abenteuerliche Situation gut einfängt. Der Stimmungswechsel erfolgt jedoch viel zu abrupt. Eben noch schöne „Friede-Freude…Stimmung“ obwohl Henry mitten im finsteren und gefährlichen Wald spazieren geht und plötzlich, eine cutscene und Nervenkitzel? Warum wird nicht generell, Abseits der Wege oder außerhalb der Ortschaften, also in gefährlichem Gelände, eine bedrohlichere Klangkulisse erzeugt?
Auch die Atmosphäre innerhalb der Ortschaften sollte noch deutlich verbessert werden. Auch hier hat der Hexer die Messlatte ziemlich hoch vorgelegt. Eine bessere Klangkulisse kann da ebenfalls schon einiges mehr an lebhafterer Stimmung erzeugen. Hammerschläge aus der Schmiede, Rufen und Anpreisen der Waren von Händlern, laute Unterhaltungen und Kommentare von NPCs, Musik von Barden, Gaukler, Musikanten aus der Taverne, das schlagen von Krügen von Tavernen- Gästen usw. Bisher ist alles noch viel zu leblos und zu hölzern.
In den Gesprächen sollte die Mimik und die Gestik dringend verbessert werden, da im Vergleich zu anderen Titel, alles viel zu steif und unglaubwürdig dargestellt wird. Außerdem ähneln sich viele Gesten zu sehr oder widerholen sich permanent.
Mit der Atmosphäre, die das fertige Spiel einem vermittelt, steht und fällt der Erfolg des Spieles, meiner Meinung nach. Hier muss noch dringend an der Darstellung, einer lebhafteren und glaubwürdigeren, mittelalterlichen Welt, nachgebessert werden, da viele gute Ansätze und hohes Potential angedeutet wird. Realitätsnahe, teils atemberaubende Landschaft und historisch genaue Architektur (bravo warhorse) reichen noch nicht für ein andauerndes, spannendes Spielerlebnis.
2.Zeit und Tag-Nachtmechanik
Die ingame-Zeit vergeht in der Beta viel zu schnell. Vor allem ist die Nacht zu lang und die Dämmerungsphasen sind zu kurz. Gerade der Tag-Nacht-Wechsel ist ein enorm schöner Stimmungsträger. Warum wird die Zeitspanne des Sonnenaufganges und Sonnenunterganges so verschenkt in dem man sie zeitlich so kurz gestaltet. Eine Phase der Dunkelheit von etwa 21Uhr bis ca. 4Uhr reicht völlig aus.
Die Nacht ist außerdem viel zu dunkel. Gerade bei einem dynamischen Wettersystem, fände ich, realitätsnahe Helligkeitswerte sehr wichtig. Bei Bewölkung ist die Nacht selbstverständlich dunkler, aber eine Vollmondnacht ist in der Realität enorm hell und hat keinen schwarzen Bildschirm zur Folge, wie derzeit im Spiel. Auch auf das stealthsystem sollte die Helligkeit entsprechende Auswirkungen haben, ob ich mich bei Vollmond und auf freiem Feld bewege oder im leichten Gebüsch bei Bewölkung schleiche, sollte ein deutlicher Unterschied spürbar sein.
Es ist absolut klasse, das Lebensmittel und alchemistische Tränke mit der Zeit verderben können (bravo warhorse). Leider werden sie viel, viel zu schnell schlecht, was dem Spielrhythmus schadet, da es keine ständige jagt nach Nahrung werden sollte. Außerdem ist es völliger Unsinn, wenn ein Apfel oder sogar Brot, nach einem ingame-Tag verdorben ist. Bei rohem Fleisch wäre das gerade noch so vertretbar, aber z.B. bei Brot ist das viel zu schnell und in einem Spiel nicht angemessen. Auch Tränke und Gifte sollten keinesfalls so schnell verderben, wie derzeit in der Betaversion, da sie sonst nahezu nutzlos wären. Was nütz einem, ein vorsorglich gebrauter Heiltrank, wenn er innerhalb eines Tages verdirbt. Eine Haltbarkeit von ca. einer Woche für Tränke wäre hier angemessen. Als ich, zum Beispiel, frisches Gift bei der Kräuterfrau in Samopesch gekauft habe und im Galopp zum Banditenlager geritten bin, da ich die Vorräte vergiften wollte, war das Gift bereits fast zur Hälfte verdorben, in wenigen Stunden ingame-Zeit. Das kann nicht sein und zerstört das ansonsten herausragende System, sowie die tolle Idee dahinter.
Eine Frage der Spielphilosophie ist es sicherlich, ob die ingame-Zeit, während Dialogen oder des Handelns stehenbleiben oder weiterlaufen soll. Bei warhorse wurde sich für das realistischere Fortschreiten der Zeit entschieden, was durchaus nachvollziehbar ist. In der Beta ist dies aber noch sehr unausgearbeitet und führt zu teilweise, lächerlichen Situationen (wie bei Fallout 4- AAA- Produktion), wenn plötzlich in einem Dialog ein anderer NPC gegen den Gesprächspartner rammt oder genau zwischen beiden Gesprächspartnern den Boden fegt. Manchmal stimmt hier die Wegfindung noch nicht und in Dialogen rammt ein NPC, ständig gegen Henry. Ich weiß nicht, ob das Einfrieren der Zeit hier die bessere Lösung wäre, da bei diesem System (wie bei Oblivion) es dazu führen kann, das in Dialogen andere NPCs im Hintergrund eingefroren zu sehen sind, was ebenfalls lächerlich wirkt.
3.Geschwindigkeit, Kampf.
Das Pferd ist mir viel zu schnell im gestreckten Galopp. Ich denke es würde dem Spielempfinden und der Steuerung gut tun, wenn es ein wenig langsamer wäre.
Bravo, warhorse für das innovative Kampfsystem. Hier muss allerdings noch etwas Feinabstimmung geleistet werden. Finishing-moves sollen ja umgesetzt werden und würden unbedingt auch ein verbessertes feedback dem Spieler gegenüber ergeben, welches auch dringend benötigt wird. Auch muss der Kampf insgesamt noch etwas flüssiger werden und wirkt an vielen Stellen zu steif und abgehackt. Vielleicht kann ein sound-feedback, z.B. Schwertschlag auf Metallrüstung schon eine bessere Rückkopplung auf den Spieler geben, da diese noch zu sehr fehlt. Die Mouse-Steuerung ist noch zu träge und unpräzise. Schlag- Kombos habe ich nur durch Zufall geschafft und Konter und Parade sind zwar klasse, jedoch ist das Zeitfenster unfassbar klein und noch zu schwierig zu treffen. Ich hoffe, dass der Fähigkeitsbaum, da ebenfalls mehr Möglichkeiten zur Kampfverbesserung bietet.
Die KI schwankt noch zu sehr zwischen genial und absolut unterirdisch, was sich vor allem in der Schlacht um das Banditenlager zeigt. Schön ist, dass die Soldaten in Schlachtordnung, in Reihe und Glied antreten oder sogar in einer Reihe marschieren. Vorbildlich ist ebenfalls, dass sie Deckung nehmen und Feinde Henry versuchen zu umzingeln. Aber, zu oft sind noch völlige KI Aussetzer zu beobachten, z.B. wenn sich Freund und Feind gefühlt minutenlang, regungslos gegenüberstehen, wenn sich dutzende Soldaten, auf einen einzigen Bogenschützen, welcher in einer Nische klemmt stürzen, oder wenn alles minutenlang regungslos verharrt. Auch scheint die Laufgeschwindigkeit oft zu hoch zu sein, was zur Folge hat, das es eher an einen aufgescheuchten Hühnerhaufen erinnert als an eine Schlacht. Eine geringere Laufgeschwindigkeit könnte hier schon helfen. Das hohe Potential ist aber schon spürbar und weckt Vorfreude, legt aber gleichzeitig die Messlatte für warhorse höher.
4.Feinabstimmung. Henry bleibt viel zu oft an irgendetwas und irgendwelchen Hindernissen hängen, vor allem beim langsamen Gehen, welche sich durch das Drücken der Laufen- Taste, dann aber überwinden lassen. Das nervt ungemein und macht so manchen Waldspaziergang zu Tortur. Warum sind kleinste, kniehohe Mauern, Hölzer auf dem Boden usw. solche Hindernisse für Henry? Auch das Anrempeln von NPCs ist unglaublich nervig und benötigt dringend eine bessere Wegfindung und verbesserte Kollisionsabfrage.
Am meisten hoffe ich, dass es warhorse gelingt, eine wirklich atmosphärisch glaubhafte, erzählerisch Dichte, emotional fesselnde, mittelalterliche Spielwelt, in der man einfach, Abseits aller Klischee- Actionrollenspiele, in der Spielwelt spazieren gehen, die atemberaubende Landschaft mit historisch genauen Motten, Burgen und Klöstern erkunden, oder in der Taverne würfelt, kurz gesagt, einfach versinken kann, zu schaffen.
Die Erwartungen an das Spiel sind hoch und ich hoffe nicht zu hoch, denn am Ende sollte es mindestens genauso oder sogar besser sein, als ein Spaziergang mit Geralt durch Novigrad, der bisher wohl den Platzhirsch markiert, da dieses Potential, in vielen Aspekten des Spiels durchaus vorhanden ist und auch in der Beta bereits angedeutet wurde.
Nochmals, Bravo warhorse und weiter so!
Viele Grüsse.